Einstmals lebten zwei Zwillingsmädchen in Gemeinschaft mit der Mais-Frau. Immer wenn sie ihre Lebensmittel aufgegessen hatten, ging die Mais-Frau mit zwei Körben zum Vorratshaus. Die Körbe waren immer gefüllt, wenn sie zurückkehrte. Eines tages schauten die Mädchen in das Vorratshaus und sahen, dass es leer war. "Wo bekommt sie die Nahrunsgmittel her?", fragten sie sich. "Das nächste Mal, wenn sie dorthin geht, wollen wir hineinschleichen und sie beobachten." Daher folgten die Zwillinge der Mais-Frau bei ihrem nächsten Gang zum Vorratshaus. Sie spähten durch einen Spalt. Was sie sahen, überraschte sie. Die Mais-Frau stellte ihren Korb auf den Boden, hockte sich darüber und rieb ihre Schenkel. Es gab Lärm und ein Maiskolben fiel in den Korb. Auf diese Weise füllte sie den Korb und auf die gleiche Weise füllte sie noch einen, aber dieses Mal mit Bohnen. Die Mädchen liefen erschrocken davon. Als die Mais-Frau ihre nächste Mahlzeit kochte, wollten die Mädchen nicht essen. Die Mais-Frau ahnte, was geschehen war. "Da ihr glaubt, meine Nahrungsmittel seien verdorben, müsst ihr euch von nun an selbst helfen." Die Mais-Frau sagte den Mädchen, sie sollten sie töten, ihren Leichnam verbrennen und die Asche über den Boden verstreuen. Sie sagte, dass daraus im Sommer Pflanzen wachsen würden, die die Mädchen pflegen sollten, bis sie reif waren. Die Mädchen taten, was ihnen gesagt wurde, und es ist wahr, im nächsten Sommer wuchsen Mais, Bohnen und Kürbisse dort, wo die Asche der Mais-Frau verstreut war. Die Mädchen pflegten diese Pflanzen jeden Tag und steckten ihre Grabstöcke dort in den Boden, wo sie mit ihrer Arbeit aufgehört hatten. Und jeden Tag, wenn sie zurückkehrten, war weiterer Boden umgegraben und ihre Hacken waren an einer anderen Stelle. "Wir wollen uns in der Nacht hinausschleichen und herausfinden, wer das macht."sagten die Mädchen. In dieser Nacht sahen sie, dass die Hacken ganz alleine arbeiteten. Die Mädchen lachten laut und sofort fielen die Hacken zu Boden und arbeiteten nie mehr alleine. Von diesem Tag an mussten die Menschen arbeiten und ihre Felder bestellen.
(Übersetzt aus dem Amerikanischen. Original bei John R. Swanton: Myth and Tales of the Southeastern Indians. In: Bureau of American Ethnology, Bulletin 88, Washington 1929. Widergegeben auf: Arkansas Archaeological Survey, http://www.archaeology.uark.edu)
Eine Eule fand einen Flussbarsch in einer kleinen, fast ausgetrockneten Pfütze und wollte ihn essen, aber als sie ihn fing, sagte der Flussbarsch, "Lass mich für dich ein Lied singen, damit du erst einmal tanzen kannst. Ich bin ein guter Sänger und, wenn du mich zu einem Platz tragen wirst, der offen und sauber ist, damit du tanzen kannst, werde ich für dich singen." Die Eule war einverstanden und sagte, "Wenn wir den richtigen Platz erreicht haben, dann sage ´Hier ist ein guter Platz´." Daher hob die Eule den Flussbarsch auf und flog los. Bald kamen sie an einen Wassertümpel und der Flussbarsch sagte, "Hier ist ein guter Platz. Fege ihn sauber und, wenn du ihn gut gefegt hast, tanze viermal vor und zurück. Beim vierten Mal kannst du mich essen." Er fügte noch hinzu, "Lege mich neben dem Weg nieder." Die Eule fegte den Platz und begann zu tanzen, aber, als sie sich zum vierten Mal umdrehte, machte der Flussbarsch einen Sprung und verschwand in dem Wassertümpel. So überlistete der Flussbarsch die Eule.
(Übersetzt aus dem Amerikanischen. Original bei John R. Swanton: Myths amd Tales of the Southeastern Indians. In: Bureau of American Ethnology, Bulletin 88, Washington 1929. Widergegeben auf: www.sacred-textes.com)
Ein Mann (wahrscheinlich ein Natchez) . . . hörte hinter sich ein schnelles, sich rasch vorwärts bewegendes Geräusch und als er sich umdrehte, sah er eine große Stechmücke auf sich zufliegen. Dann sprang der Mann hinter einen großen Baum und die Stechmücke flog so hart dagegen, dass ihr Stachel durch den Baum hindurchging und dort herauskam, wo der Mann stand. Der Mann nahm eine Axt, die er bei sich hatte, und schlug auf das Ende des Stachels so, dass sich dieser umbog und die Stechmücke ihn nicht mehr herausziehen konnte. Dann schwenkte die Stechmücke beim Versuch, den Stachel frei zu bekommen, ihre Flügel nach vorne und der Mann schnitt sie ab. "Diese werden einen guten Fächer für einen alten Mann abgeben,"dachte er. Er steckte sie in einen Sack, den er auf seinem Rücken trug, aber als die Sonne immer wärmer wurde, verwandelten sich die Flügel in Staub.
(Übersetzt aus dem Amerikanischen. Original bei John R. Swanton: Myths and Tales of the Southeastern Indians. In: Bureau of American Ethnology, Bulletin 88, Washington 1929. Widergegeben auf: www.sacred-textes.com)
(Bei den Chtimacha). . . gab es einen winzigen Vogel, der in der Chitimacha-Sprache "kick" hieß. Derselbe Vogel ist heute als Zaunkönig bekannt. Wenn glückliche Umstände zu erwarten waren, gab der kleine Vogel einen leisen quietschenden Laut, der sich anhörte wie "knee suya."
Wenn er Regen vorhersagte, saß der Vogel auf einem Ast, bewegte seinen Kopf auf und nieder und machte einen Laut fast so, als ob er sagen wollte Regen, "kring, kring." Wenn kaltes Wetter zu erwarten war, saß er ganz still und rief "kui kiki." Wenn ihr kleiner Freund in den Himmel schwebte und es so schien, als ob er ängstlich herunterkam, bedeutete das Hochwasser und Flut.
Pauline Paul, die vor einigen Jahren starb, sagte oft, der kleine Vogel kommt und spricht nicht mehr. Vielleicht weiß der Vogel, dass alle Indianer, die seine Sprache sprechen, gestorben sind.
(Übersetzt aus dem Amerikanischen. Original bei Chitimacha Tribe of Louisiana.Widergegeben auf: www.chitimacha.gov)
Ein Mann, der auf der Jagd war, kam an einen Fluss und dachte, "Ich werde schwimmen gehen." Das tat er und schwamm eine Weile im seichten Wasser. Er sah eine tiefere Stelle, fürchtete sich jedoch davor, sich dorthin zu wagen. Langsam kam von dieser Stelle her eine Würgeschlange und klammerte sich an ihn. Als sie ihn umwickelt hatte, fürchtete er, die Schlange könnte ihn in das tiefere Wasser ziehen und er sprang deshalb aus dem Wasser. Es gab dort einige Büsche und der Jäger krallte sich an ihnen fest, um nicht fortgezerrt zu werden, aber die Schlange zog ihn ohne Schwierigkeiten weg. Als der Mann aufgab, machte sich die Schlange mit ihm auf den Weg zu einem höher gelegenen Landschaftsabschnitt.
Als er sich umsah, glaubte der Mann zunächst ein flaches Stück Grasland zu sehen, aber als sie näher kamen, stellte es sich als ein großer See heraus. Die Schlange trug ihn dort hinein. Zunächst war das Wasser seicht, aber es wurde tiefer und tiefer und reichte dem Mann schließlich bis zur Brust. In diesem Augenblick hörte er jedoch Lärm hinter ihnen aus der Richtung, aus der sie gekommen waren und als er sich umsah, sah er einen großen Alligator. Die Würgeschlange ließ von ihm ab und sprang (den) Alligator (an). Der Jäger war sehr müde und setzte sich in das Wasser. Er konnte den Lärm der beiden Lebewesen . . . hören und nach einiger Zeit sah er sie . . . in den See eintauchen. Danach nahm er an, aus dem Wasser gehen zu können, aber seine Druckstellen schmerzten ihn so sehr, dass er kaum aufstehen konnte. Als er aufbrach, benötigte er einen Gehstock. Dann kehrte er zurück zu dem Platz, von wo aus er losgeschwommen war, zog seine Kleider an, nahm sein Gewehr und ging zurück nach Hause. Er beschloss nie mehr zur Jagd zu gehen, "weil er zu alt war."
(Übersetzt aus dem Amerikanischen. Original bei John R. Swanton: Myths and Tales of the Southeastern Indians. In: Bureau of American Ethnology, Bulletin 88, Washington 1929).